Aalglatt – eine Selbsterfahrung

Europäischer Aal © wikicommonsBerufsbedingt durfte ich vor einem Dreivierteljahr erstmals einen ganzen Tag IM kühlen Wasser eines Fliessgewässers Namens Glatt verbringen. Glatt in mehrfachem Sinn war’s!

Als Ausrüstung erhielt ich eine Wathose und echte Fischerhandschuhe. Alleine schon diese zu tragen, gab mir das Gefühl ein echter Wassermann zu sein, nicht nur im Sternzeichen. In dieser Montur hatte ich meine erste echte Begegnung mit einem der faszinierendsten einheimischen Fische, dem Aal.

Nach eingehendem Sicherheitscheck und Geräteeinführung waren die Rollen zugeteilt und es konnte losgehen. Unsere Fangausrüstung – Elektrofischfanggerät, Kescher und ein Fläschchen Nelkenöl – sollte sich als äusserst effizient erweisen. Zu zweit wateten wir mit Plastikeimer und Kescher behäbig dem sogenannten Anodenführer hinterher. Doch schon gleich hiess es blitzschnell und wendig reagieren.

Sobald die Anode ins Wasser getaucht wird und Strom fliesst, richten sich die Fische nach dem erzeugten elektrischen Feld aus, wobei sie im Idealfall auf die Anode hin schwimmen. Mit geschickter Kescher-Führung lassen sich jene hell schillernden Fische nahe an der Wasseroberfläche relativ leicht fangen. Zumindest wenn sie nicht grösser als 20 Zentimeter lang sind. Ein Aal dagegen misst durchschnittlich 50 Zentimeter, wobei weibliche Tiere bis 1.30 Meter lang werden können.

Ich musste mich ohnehin zusammenreissen, um nicht jeden Fisch laut zu kommentieren. Eine solche Artenvielfalt wie beim Elektrofischen bekommen auch als Angler selten zu Gesicht und aus nächster Nähe, im ungetrübtem Wasser meines Eimers (ja, ja, ich gebe zu, mein Job war wortwörtlich Wasser tragen!) staunte ich über den Formen- und Farbenreichtum, die unterschiedlichen Schuppengrössen, die auffälligen Barteln der Barben und die bemerkenswerte vordere stachlige Rückenflosse des Eglis.

Mit seinen Längsstreifen ist er besonders leicht auch beim Schwimmen im See zu erkennen, aber meist dauern meine Begegnung mit ihm, dem Flussbarsch, nur einen Bruchteil einer Sekunde, ehe er bereits davon geflitzt ist. Und noch besser kennen viele ihn knusprig frittiert mit Tatarsauce auf dem Teller. Aal dagegen erhält man in der Schweiz fast nie als Speisefisch.

Wieder wurde die Anode in Ufernähe durchs gezogen und wir schöpften bereits geübter die zumeist kleinen Alet (ausserhalb der Schweiz heisst dieser Fisch auch Döbel) ab. Doch da! Ein dunkler Schatten glitt durchs Wasser. Grund genug nochmals die Anode einzutauchen. Mit Schuss schlängelte ein Aal an die Oberfläche, schlug spritzend auf und schoss mit der Strömung davon – genau in den perfekt platzierten Kescher hinein. Zappelnd und sich windend hätten wir ihn beinahe wieder verloren beim Umpacken in meinen Eimer hinein. Mit einem Arm deckte ich diesen zu, auf das sich unser Fang etwas beruhige und brachte ihn unverzüglich in Sicherheit.

Um die Fische zu bestimmen und ihre Länge zu messen, gelangten sie zunächst in kleiner Anzahl in einen separaten Kessel. Dem Wasser waren zuvor wenige Tropfen Nelkenöl zugegeben worden. Dieses stark riechende Öl, das bereits in der Antike als Betäubungsmittel verwendet wurde und in der Zahnmedizin als Lokalnarkotikum verwendet wurde, wirkt bei Fischen rasch. Handzahm liess sich der Aal nun aus dem Wasser heben, und ich berührte ihn ein erstes Mal mit blossen Händen: wie weich und geschmeidig seine olivfarbene Haut sich anfühlt! Und wie athletisch darunter die gut entwickelte Muskulatur eines Langstreckenschwimmers! Die Schuppen sind so winzig, und wegen der Schleimschicht, die seine Haut bedeckt fast nicht erkennbar. Ich streichelte über seinen Rücken, berührte die lange Rückenflosse, die ansatzlos in die Schwanzflosse übergeht in die Afterflosse.

Aalglatt ist ein negativ behaftetes Beiwort. Einen Aal zu berühren hat mich vergewissert, dass er zwar „hehl“ ist, wie man auf Schweizerdeutsch auch sagt. Aber der Etymologie von Aalglätte muss ich noch nachgehen um zu verstehen, wie es zu dieser Bedeutungsverschiebung kam. Für mich ist der Aal gerade auch wegen seinem besonderen Aussehen und dieser aussergewöhnlichen Haut eine Besonderheit unter den einheimischen Fischen.

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