Eine Hand voll Leben

Alpensegler beim Beringen © P. SchuetzKeinen Spatz in der Hand, sondern…vielleicht den elegantesten befiederten Flugakrobaten, den man im Siedlungsgebiet antreffen kann, hatte ich diesen Donnerstag Abend.

Dazu kam es, weil die Individuen der Kolonie im Landvogteischloss Baden gezählt wurden. Hier an der Limmat brütet alljährlich eine der grössten Kolonien dieser ursprünglichen Felsbewohner. Im mittelländischen Siedlungsraum finden sie an hohen Gebäuden ebenso geeignete Brutplätze wie in den Alpen und sind durch ihren charakteristischen Ruf und ihre spielerischen Flug, auf dem sie sich oft zu verfolgen scheinen, auffällige Mitbewohner.

Zwar sind etliche Jungvögel in Baden bereits ausgeflogen und schon aufgebrochen in den Süden. Dennoch konnten ca. 65 Alpensegler kontrolliert werden. Jedes Individuum ist nun beringt, sein Gewicht und seine dritte Handschwinge als Längenmass erfasst und eine Blutprobe für Verwandtschaftsanalysen genommen. Schliesslich sind einige Individuen mit einem Datenlogger ausgerüstet. Dieser “Mini-Rucksack”, der gerade mal ca. 0.5 Gramm wiegt und damit weniger als 1 Prozent des Körpergewichts eines Alpenseglers ausmacht, wird – bis er bei der nächsten Kontrolle abgenommen wird – wertvolle Daten über Flughöhe, -geschwindigkeit, Luftdruck, Aussentemperatur usw. sammeln. Diese Daten werden helfen, das Zugverhalten dieser langflügligen Akrobaten noch besser zu verstehen. Dass sie schliesslich überhaupt verfügbar sein werden, hängt auch von der Nistplatz-Treue ab. Auf dass wir sie im nächsten Frühling wieder in Baden antreffen und sie zahlreich zu Forschern und Vogelschützern zurückkehren mögen!

Nachtrag: Es ist ein unbeschreibliches Erlebnis einen Alpensegler an seinem Schlafplatz zu besuchen. Zumeist ganz ruhig kauern sie im Gebälk oder sitzen manchmal sogar noch auf ihren Nestern. Nur wenige Vögel lassen ihren unverkennbaren Rur nachts ertönen. Vorsichtig, denn sie halten sich mit ihren langen Krallen vorzüglich an jeder Unterlage fest, haben wir sie “gepflückt”. Ihr seidiges Gefieder ist warm und glänzend, die langen Flügel beeindruckend schmal und kräftig zugleich. Sobald sie einen Finger zu fassen bekommen, schliesst sich ihr Fuss um diesen und hält ihn fest. Alleine durch dieses instinktive Verhalten fühle ich mich diesen Vögeln, die mich seit dieser Nacht beschäftigen, verbunden.

In Nest-Nummern bestückten grossen Einkaufstüten, die wir mit Wäscheklammern verschliessen, tragen wir sie zur Messstation unter dem Gebälk. Auf eine weiche Schaumstoffmatte gesetzt, hält jeder Alpi, wie sie liebevoll vom Beringungsteam genannt werden, still und lässt zu, dass seine Ringnummer abgelesen werden kann, besitzt er denn schon ein Ringlein am Fussgelenk. Einem unberingten darf ich selber einen Ring anlegen. Zum Glück hilft mir Christoph. An diesem Vogel, der so stark zu sein scheint, wenn er durch die Lüfte jagt, ist doch jedes Körperteil so filigran.

Schliesslich legen wir Vogel für Vogel in eine Schuhschachtel, die uns als Waagschale dient. Und heben ihn vorsichtig wieder heraus, um ihn schliesslich zurück an seinen numerierten Schlafplatz zu setzen. Ihre wachsamen Augen, ihre kontrastreich schneeweise Brust, die spitzen Krallen, die – man könnte es meinen – mit Vorliebe unsere Nagelbetter getroffen haben, werde ich nie vergessen. Danke Agnes, für dieses wunderbare Erlebnis in dieser lauen Sommernacht!

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