Das blaue Wunder

Ostern ist ein Fest der Traditionen. Eine davon ist das Eierfärben.  Dieses Jahr habe ich diesen Brauch wiederaufgenommen. Ein wenig auch aus purer Neugier, denn in meiner Apotheke bin ich auf ein Säcklein mit seltsamem Inhalt gestossen.

Prominent lag es auf einem Tisch mitten im Raum und auch andere Säcklein lagen noch dabei. “Blauholz – Bois de Campèche” las ich. Auch nach längerem Grübeln konnte ich mich nicht entsinnen diese Worte bereits ein Mal vernommen zu haben. Bei Cochenille, den Blattläuse, die Tequilla und Lippenstift gleichermassen ihre Farbe verleihen beziehungsweise Gelbwurz, das in jedem Curry vorkommt, dagegen klingelte sehr wohl was. Solcherlei Säcklein gesellten sich zu meinem. Nun gut, das Unbekannte ist so lange fremd bis man es ausprobiert. Und so kaufte ich mir dieses “Färbe-Abenteuer”.

Da ich in meiner kleinen Küche keine alten Töpfe führe, die man nur zum Kerzenziehen oder Eierfärben braucht, nahm ich meinen Spaghetti-Topf und liess die geheimnisvoll glänzenden, roten Holzspäne heinrieseln. Exakt 1.5 Liter kaltes Wasser fügte ich hinzu und rührte daraufhin erwartungsvoll wie ein kleines Kind in meinem seltsamen Sud. Schon nach wenigen Minuten hatte ich den Eindruck, das Wasser färbe um. Nach und nach schien es mir nicht mehr klar, sondern zunehmend beinahe violettschwarz, während sich um die Holzspäne Bläschen bildeten. Es roch auch etwas sonderbar, wonach allerdings hätte ich nicht zu sagen vermocht. Sorgfältig rührte ich weiter bis der Sud zu kochen begann und stellte ihn dann zum Auskühlen auf die Seite.

Nun war die Reihe an den weissen Eiern. Ich wollte filigrane Blättchen von Akelei, Erdbeere, Mauerraute und so weiter auf die Eier legen und sie dann einzeln in einem alten Seidensöcklein eingepackt ins Wasser gleiten lassen. Zugegeben, in meiner Erinnerung aus Kindertagen war das ziemlich ein leichtes Unterfangen gewesen. Mit einem Gipspfötli (gebrochener Daumen an der rechten Hand) stellte ich mich ziemlich tollpatschig an und kann von Glück reden, dass keines der Eier schon vor dem Färben Schaden nahm.

Den Blauholz-Sud brachte ich nun abermals zum Kochen und liess meine Eier dann für 12 Minuten gewähren, während welcher ich nochmals nachlas, was ich auf die Schnelle zu Blauholz finden konnte. Der gleichnamige Baum Haematoxylum campechianum wächst in Südamerika, sowie auf den karibischen Inseln. Beachtliche Dornen ragen bis zu 1.5 cm aus der hellgrauen, auffällig weiss gesprenkelten, glatten Rinde hervor. Das darunterliegende, helle Splintholz eignet sich zum Färben nicht. Das braunrote und harte Kernholz dagegen, das sich farblich scharf abgrenzt, enthält die Hämatoxylin-Kristalle. Dieses Färbemittel wird noch heute für das Anfärben von Zellpräparaten, aber auch in der Tintenproduktion verwendet wird. Hier schliesst sich der Kreis. Ich erinnere mich wieder an die Eosin-Hamtoxylin-Dünnschnitte aus dem Studium, die es erlaubten, die blauen Zellkerne von den rosa gefärbten übrigen Zellorganellen zu unterscheiden.

Wie kleine Geschenke schnitt ich meine Socken umhüllten, abgekühlten Eier schliesslich auf. Verblüffend dunkelviolett, nicht blau sind sie geworden! Und meine gewünschten Pflanzenblätter-Applikationen haben sich leider auch nicht ergeben. Mit Zitronensaft und Geduld könnte ich wohl weiterfahren, meine Eier zu dekorieren. Aber jetzt wird es erst mal Ostern. Frohe Festtage!

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