Grimbarts – ein Familienausflug

Dachs © C. Parfitt (wikicommons)Wildtiere aus nächste Nähe beobachten zu können, ist immer ein Highlight. Ich geb’s zu: je grösser das Viech, umso riesiger die Freude

Auf exotischen Safaris bekommt man dieses Erlebnis beinahe immer. Man erkauft es sich sozusagen. Wer allerdings auf eigene Faust eine solche Begegnung in heimischen Gefilden machen will, braucht Muse, ein Quentchen Glück und u.U. spezifischere Ortskenntnisse.

Meister Grimbart, jener etwas tolpatschig wirkende Geselle mit dem charakteristischen schwarz-weiss gestreiften Kopf und graumeliertem Fell, baut keine diskreten Höhlensysteme, die oberirdisch kaum auszumachen sind. Viel eher ähneln seine Bau dem, was in anderen Kreisen als Villa bezeichnet wird und verfügen über eine typische Rinne (sozusagen das Entree), durch die der Aushub weggeschaufelt wird mit den kräftigen, Krallen bewehrten Pfoten.

Wer an so einen Bau läuft, wird diesen als Dachs-Behausung erkennen und verfügt also bereits über die wichtigste Information.

Obwohl Grimbart kaum Feinde zu fürchten hat, lebt er – abgesehen von seiner architektonischen Tätigkeit – sehr diskret. Fast ausschliesslich zwischen Abend- und Morgendämmerung ist er unterwegs, um seinem Tagesgeschäft nachzugehen: Nahrung suchen, der eigenen Territorium -Grenze (eine Fläche von ca. 0.1 bis 1 Quadratkilometer des Streifgebiets) entlang patrouillieren, sie frisch markieren mit dem Sekret der paarigen Analdrüsen und allfällige Eindringlinge vertreiben, sowie – selbstverständlich – den Bau in Schuss halten.

Beim Fressen hält es der Dachs wie der Bär, für einen solchen er vor weniger als 200 Jahren noch gehalten wurde. Opportunistisch stehen je nach Verfügbarkeit und geographischem Breitengrad hauptsächlich Regenwürmer, Insekten oder Pflanzenmaterial auf dem Speisezettel. Im Südwesten Spaniens soll es sogar Dachse geben, die sich auf das Erbeuten von jungen Wildkaninchen spezialisiert haben, wo diese sehr zahlreich vorkommen. Statt zu flüchten, ducken sich letztere beziehungsweise werden sie einfach vom Dachs aus ihren Höhlen ausgebuddelt!

Statt mit dem Bär ist der Dachs aber mit Iltis und Co. verwandt. Er ist der grösste einheimische Vertreter innerhalb der Familie der Marderartigen und der in Europa am weitesten verbreitete dazu. Nur in Nordskandinavien, wo seine ökologische Nische wahrscheinlich durch den Vielfrass besetzt ist und auf einigen Mittelmeerinseln fehlt er.

Aber zurück in die Schweiz. Vorgestern Abend hatten wir Lust Grimbart mal wieder aufzulauern und setzten uns gegen viertel nach 9Uhr abends mit optischem Geschütz ausgestattet in Bewegung. Schweigend gingen wir neben einander. Unter unseren Gummisohlen knirschte der Schotter auf dem Waldboden unvorstellbar laut, ein Rauchfähnlein von einer Feuerstelle zog wie eine penetrante Duftspur weit in den Wald hinein und irgendwo bellte immer wieder ein Hund auf.

Scheinbar ganz schlechte Voraussetzungen für Wildtierbeobachtungen. Aber wer wird denn die Flitte so rasch ins Korn werfen!

An “unserem” Dachsbau haben wir uns dann schweigend, regungslos verharrend auf das Warten eingestellt, was so viel heisst eine knirschfreie Position einzunehmen 🙂 . Es wurde immer dunkler und spürbar kühler nach diesem langen Sommertag. Bald lösten aggressiv sirrende, stechwütige Mücken die letzten Vogelstimmen ab und stellten uns zusätzlich auf die Probe. Von Grimbart dagegen kein Laut zu hören.

Nun gut, schon fast kapitulierend einigten wir uns flüsternd darauf noch ein paar letzte Minuten auszuharren. Und hört! da knackte es endlich, schnüffelte jemand geräuschvoll und streckte sogleich seinen birnenförmigen, charakteristisch gestreiften Kopf aus dem Dickicht. Trotz schlechtem Sehsinn vergingen nur Bruchteile von Sekunden, ehe Grimbart uns erblickte und –  rasch bereits davonwackelte.

Wir strahlten uns an, geräuschlos, aber wer braucht schon Worte, wenn er eine reiche Mimik hat 🙂 !

Unterdessen hatten sich wohl auch die Dachs-Jungen aus dem Bau getraut, denn das Rascheln hielt an. Trippeltrippel, fast geräuschslos trotz ihrer Grösse, bewegte sich wohl ein weiteres Exemplar noch nicht sichtbar, aber eindeutig in nächster Nähe durchs Dickicht. Tatsächlich sind Dachse Zehenspitzengänger wie Hunde und Katzen – bloss ihrer langen Krallen wegen bemerkt man das kaum..

Und da, was für ein herziges Kerlchen mit seiner feuchten Nasenspitze und dem hell leuchtenden Kopf! Und hinterher gleich nochchmals einer, Nachwuchs Nummer 2 direkt vor uns! Zu zweit, mit schaukelndem Hinterteil und bodennaher Schnauze – man weiss ja nie, wenn man auf was Leckeres stösst – verschwanden auch sie im Unterholz.

Zuletzt, nur wenige Minuten später, erschien dann nochmals ein ausgewachsenen Exemplar. Genauso vorsichtig wie Nummer 1 hatte sie uns wohl längst gewittert, blickte uns – kaum aus der Deckung hervorgetreten unverblümt an – und war auch schon weg.

Die Dachsfamilie stundenlang die Gegend auskundschaften, sich an Kirschen, Insektenlarven und Schnecken laben, und dabei in einer Sommernacht bis zu 10 Kilometer zurücklegen. Tief unter der Erde, in einer oder mehreren geräumigen Wohnkammer, werden sie in ein paar Stunden ihre Pfoten aufeinanderlegen und das schwere Haupt daraufbetten. Gute Nacht Euch heimlichen Streifenträger!

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