Hinter Gittern

Frauenschuh © Manuguf (wikicommons)Wie bewahrt man seltene Arten oder Arten, die es geworden sind, vor dem Aussterben? Ist Einzäunen eine Lösung?

In einer Lichtung im Wald traf ich neulich auf ein sehr kleine gezäunte Fläche. Die Neugier muss gestillt werden und ich scherte vom Weg ab. Mehrere kräftige Stengel, an denen wechselständige, ovale, hellgrün spitz zulaufende Blätter mit deutlich hervorstehenden Blattnerven wuchsen hier, hinter Gittern.

Ich erinnerte mich – dieses Grün gehört zu einer einheimischen Orchidee, dem Frauenschuh. Er ist selten geworden, seit Jahrzehnten geschützt. Zur Zeit der Waldweiden war diese leicht erkennbare Blütenpflanze noch häufiger und der Bevölkerung gut bekannt. Ihrer auffälligen grossen Kesselfallenblüten wegen.

Durch das Einzäunen der bekannten Frauenschuh-Standorte soll heute verschiedenes erreicht werden: Die Forstarbeiten werden diese Pflanzen nicht übersehen, sondern gezielt in ihrer Umgebung mähen bzw. allzu hohe Bäume fällen, um Konkurrenzpflanzen zurückzuhalten bzw. den indirekten Lichteinfall zu verbessern. Den Rehe, grösste Feinschmecker unter den einheimischen Wildarten, wird verwehrt der Zaun den Zutritt zu dieser (kulinarischen?) Kostbarkeit. Und nicht zuletzt vermiest er auch etwas zu ambitionierten Orchideenliebhabern, das Fotographieren oder gar Ausgraben der Rhizome (der unterirdischen Sprossachse).

Ob all diese Zwecke erfüllt werden oder nicht – kein Zaun kann einen langfristen Erhalt des Frauenschuhs garantieren. Und auch hinter Gittern gehaltene Tiere kann man höchstens indirekt schützen. Aber es ist ein erster Schritt.

Zoologische und botanische Gärten dienen dazu, Arten ins kollektive Bewusstsein zu rücken. Und die neuen Gehege-Konzepte lassen zu, dass wir rare, bisweilen auch unscheinbare Pflanzen, und exotische oft scheue und sehr diskrete Tiere aus nächster Nähe beobachten & erleben können. Manchmal mit einer Kostprobe ihres echten Naturells.

Dieses Naturerlebnis hinter Gittern will v.a. eines: Kennen lernen ermöglichen. Denn nur was man kennt, kann und will man auch schützen. Tier- und Pflanzengärten sind aber auch Forschungs- und Zuchtstätten. Unter kontrollierten Bedingungen können hier Verhaltensmuster und vieles mehr untersucht werden, um bessere Artenkenntnisse zu erlangen.

Die grösste Arbeit des Artenschutzes besteht – auf einer zweiten Schiene – in Lebensraumschutz- und –Aufwertungs-Bemühungen. Nur wenn diese vor Ort, im angestammten Habitat einer Art langfristig gelingen und fortgeführt werden, ist ihr Fortbestand realistisch.

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