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  • alpine Distel © P. Schuetz
    alpine Distel © P. Schuetz
Ameisen sind fleissig. So weit, so löblich. Dass sie dabei nicht nur andere für sich arbeiten lassen, sondern auch noch rabiate Methoden anwenden, wusste Lafontaine freilich noch nicht.

Kaum eine Sprache kennt keine Proverben, die sich auf Tiere und ihre Eigenschaften beziehen. Schlau wie der Fuchs sagen wir, müde wie ein Kalb die Albaner, und hungrig wie ein Wolf heisst es im Englischen, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Der Ameise wird – mindestens seit Lafontaine’s Fabel mit der Grille – nachgesagt, sie sei fleissig und tüchtig, sammelt sie doch vorsorglich den ganzen Sommer über Vorräte für die kalte Jahreszeit. So weit, so löblich. Dabei greift sie allerdings zu unpopulären Methoden.

Schauplatz Voralpen, am vergangenen Samstag: Wer genau hinschaut, z.B. auf die vielen Disteln, die momentan blühen, findet aktuell auf verschiedensten Stengeln Blattläuse. Sie sind winzig und nur dort augenfällig, wo gleich Duzende von ihnen Leib an Leib die Leitungsbahnen ihrer Wirtspflanzen angezapft haben. Und sie sind nicht alleine.

Zwischen den Winzlingen krabbeln Ameisen mit ihren schlanken Beinen und agilen Antennen behände herum. Tatsächlich patrouillieren sie um „ihre“ Sklaven, die Blattläuse, von denen sie quasi Honigtau à discretion beziehen.

Honigtau ist der zuckerreiche Saft, den die Blattläuse – selber hungrig nach Eiweissen, von denen die Pflanzensäfte viel weniger enthalten – gleich wieder ausscheiden, wenn sie genannte Leitungsbahnen anzapfen. Ameisen dagegen lieben Honigtau und melken „ihre“ Blattläuse regelrecht, um an diesen zu gelangen.

Jahrelang hielt sich die Meinung, Ameisen würden im Gegenzug freundlicherweise auch Fressfeinde wie Marienkäfer von „ihren“ Läusen fernhalten und man sprach gar von einer symbiotischen Beziehung zwischen den beiden Artengruppen.

Tatsächlich scheinen Schwarze Wegameisen bei ihren Wirten, Erbsen- und Bohnenläusen, nicht nur fiese, sonder gar rabiate Methoden anzuwenden, um ihre Gold- oder besser gesagt Honigtau-„Esel“ zu monopolisieren.

In einer Laborstudie konnten englische Forscher nachweisen, dass die Wegameisen den Läusen nicht nur die Flügel ausreissen und damit ihre Flugtüchtigkeit komplett unterbinden. Sie sondern ausserdem ein Sekret ab, das chemisch die Fortbewegungsgeschwindigkeit der Läuse stark drosselt und damit ihre Abwanderung auf andere Pflanzenstengel zusätzlich einschränkt.

Ameisen sind wohl fleissig, aber weitere Eigenschaften kann man ihnen wohl auch zuschreiben: sie sind zielstrebig, wenn es um den Nahrungserwerb geht, und dabei wenig zimperlich. Ich sehe sie nun jedenfalls in einem neuen Licht.

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