Interessenskonflikte im Artenschutz

Steinkrebs © Ch. Leeb, wikicommons (CC BY-SA 3.0)Artenschutz kann eine heikle Sache werden. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, ob der Räuber oder seine Beute mehr Priorität und Schutz geniessen sollte.

Eine solche Konstellation gibt es momentan z.B. in Oberösterreich. Der charismatische Fischotter, ein elegantes grosses Säugetier ist seit einigen Jahren zurückgekehrt. Seit seiner Ausrottung, – nicht nur wegen seines sehr dichten Pelzes wegen, sondern auch als direkter Konkurrenz der Fischer -, sind Jahrhunderte vergangen. Das Gefühl der Bedrohung der eigenen, gepachteten Fischgründe durch dieses Raubtier dagegen, ist keineswegs verschwunden. In Ungnade gefallen ist der Fischotter nun wieder als Räuber. Weil er – ganz spezifisch – sein Nahrungsspektrum erweitert hat auf einheimische Krebse und bei selbst gezüchteten Krustentieren die Fischerseele kein Pardon kennt. Aber was ist genau geschehen?

An einem Nebengerinne der Steyr in Oberösterreich haben sich einheimische Fischer der Zucht von Stein- und Edelkrebsen verschrieben. Nicht etwa um diese kommerziell zu nutzen, sondern als Artenschutzprojekt. Denn auch in Österreich sind Flusskrebse (Überfamilie, zu der die einheimischen Krebse systematisch gehören) vielerorts bedroht. Gleichzeitig geniessen sie gesetzlichen Schutz bzw. Prioriät, d.h. die Österreichischen Bundesländer sind wie unsere Kantone verpflichtet Massnahmen zum Schutz ihrer Lebensräume und zur Wiederherstellung und Verbesserung ihrer Nahrungsgrundlagen zu ergreifen. Im erweiterten Sinn kann das auch heissen, Flusskrebse für den Besatz in geeigneten Gewässern zu züchten. Eben dieser Aufgabe hat sich der lokale Fischereiverein in Hinterstoder gewidmet.

Quasi über Nacht allerdings soll nun der Fischotter (möglicherweise eine Otterfamilie mit Jungtieren) an Pfingsten des aktuellen Kalenderjahres die ganzen Bemühungen zu nichte und Duzende von Krebse vernichtet haben, siehe hier. Ob er’s wirklich war, ist bis heute nicht bewiesen. Genauso wenig wie eine mögliche Apathie der Steinkrebse als Folge von Krebspest-Befall. In der Steyr sind auch die Fischbestände stark eingebrochen; Fischer nennen sie sei heute ein “leeres Gewässer”. Daher werden seit geraumer Zeit keine Fischlizenzen für die Steyr mehr vergeben. Stattdessen gibt es Forderungen, wie zuletzt in Niederösterreich: in diesem Bundesland sind seit dem 3. April 2017 40 Fischotter innert eines Jahres zum Abschuss frei gegeben worden.

Ein Mal mehr zeigt sich an diesem Beispiel der Anspruch des Menschen, die Natur – möglichst uneingeschränkt – nutzen zu dürfen. Insbesondere Raubtiere, die in der Nahrungskette zu oberst stehen, bekommen dies immer wieder zu spüren. Mit Regeln und Gesetzen versuchen wir, die uns umgebende Natur zu managen. Und merken dabei nicht, dass vielleicht unser eigenes Naturell, mit diesem Universalanspruch an der Natur, überdenkenswert wäre. Artenschutz ist nicht eine Frage der Koexistenz von Arten. Kein Raubtier frisst seine Jagdgründe gänzlich leer und entzieht sich so selber seine Nahrungsgrundlage. Das hat in der Vergangenheit einzig der Mensch geschafft, z.B. mit den Huftierbeständen in der CH. Stattdessen sollte Artenschutz heute in erster Linie darauf abzielen, die Quantität und Qualität von Lebensräumen bewahren, wie es gesetzlich auch verankert ist. Denn Fliessgewässer in jederlei Hinsicht wieder attraktiv zu machen für einheimische Flusskrebse wird nicht alleine ihnen nützen, sondern einer Vielzahl anderer Wasserorganismen. Und in einem solchen gesunden Ökosystem ist auch Platz für Räuber.

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