Werre, der Wehrhafte

Maulwurfsgrille, 2014 P. Schuetz“A Werra!” Das stiess ein anderer Spaziergänger beim Anblick dieses Geschöpfs aus. Den fürchterlichen Gestank eines Abwehrsekrets rieche ich noch und weiss nach einiger Lektüre nun, mit wem wir es zu tun hatten.

Maulwurfsgrillen sind imposante Erscheinungen. Mit ihren zwei riesigen Grabschaufeln – dem umfunktioniertes Vorderbeinpaar – wirken sie sehr wehrhaft. Statt eines Kneifens hat sich “mein” Männchen allerdings mit einem übel stinkenden Sekret – ich hab’s nicht mal sofort gemerkt; erst der beissende Geruch liess mich nach der Ursache forschen – meinem neugierigen Blick entzogen und ist gleich nach dem Anknipsen mit meinem Handy rasch wieder im hohen Gras verschwunden.

Eben diese Grabschaufeln haben Biologen schon vor langer Zeit fasziniert, denn sie erfüllen wie die verbreiterten Hände eines Maulwurfs (diese sind 6-fingerige, weil ein Handwurzelknochen, das sogenannte Sesambein, sich als zusätzlicher Daumen während der Embryonalentwicklung auswächst) vor allem Grabfunktion. Eine solche Funktionsgleichheit bei völlig verschiedenem Körper-Bauplan wie in diesem Beispiel zwischen Insekt (Maulwurfgrille) und Säugetier (Maulwurf) bezeichnen Biologen als Analogie.

Solche analogen Organe können nicht nur funktionsgleich, sondern auch in ihrem Aussehen, zumindest oberflächlich, sehr ähnlich sein. Weil sie evolutiv allerdings unabhängig und damit auch unterschiedlich voneinander entstanden sind, bezeichnet man ihre Entstehung als konvergente Entwicklung oder auch kurz Konvergenz.

Genug der Fachsimpelei! Maulwurfsgrillen gehören übrigens zu den Heuschrecken und sind – entgegen der Fabel von Lafontaine – nicht ausschliesslich mit Singen beschäftigt. Mehr zu dieser Familie der Langfühlerschrecken kann man hier nachlesen.

PS: Werre heisst übrigens auch auf Schweizerdeutsch offenbar “Maulwurfsgrille”. Passend, denn wehrhaft sind sie ja in der Tat.

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