Mai-­Wanderung

Bei mässigen Wetterverhältnissen unterwegs zu sein, braucht manchmal mehr Überwindung. Oft wird man aber reich belohnt mit unerwarteten Beobachtungen.Mit Regenschutz und Feldstecher sind wir erst nachmittags bergan los marschiert. Bald war unsere Haut feucht, nicht nur vom konstanten Nieselregen, der wie ein feiner Sprühregen auf uns herabrieselte. Auch das Moos leuchtete nassglänzend wie die feuchten Körper der unzähligen Schnecken auf unserem Weg.

Farnwedel und Frauenmantel bieten Kleingetier ein Regendach, aber viele Gaukler kümmert der feine Niederschlag wenig. So bekommen wir unter anderem auch einen Nagelfleck zu Gesicht, der sich wie ein altes, braunes Buchenblatt am Fels festhält.  Was für ein perfektes Tarnmuster auf der Flügelunterseite, während auf der Aussenseite vier namensgebende Augen einen anzustarren scheinen. Und was für imposante Fühler dieser Falter hat! Mit diesen Antennen vermag er wohl so manches zu erschnuppern, dass sich unserer Wahrnehmnung gänzlich entzieht.

Als wir nach einiger Zeit den Kamm erreichen und ins Tal blicken, ragt ein doppelter Regenbogen in den Himmel. Käme uns gelegen, jetzt über diese Himmelsleiter ins Tal zu rutschen! Aber eine Überraschung hält der Tag noch bereit.

Mit langsam schweren Beinen sind wir froh um jedes Naturwunder am Wegrand: Um mindestens einen Monat zurückversetzt im Frühling, hier in den Voralpen, staunen wir über all’ die Frühlingsblüher wie Soldanella, Alpenprimmel oder Pestwurz, aber auch Waldvöglein und Enzian, die noch mehr zu leuchten scheinen an diesem grauen Nachmittag.

Unter den Fichten raschelt es leise und ich bleibe stehen. Tatsächlich! da ist was. Regungslos blicken wir auf die Birkhenne, die sich genauso verhält, aber doch nicht so lange still halten mag wie wir und langsam weitertripelt. Stumm blicken wir uns an, reichen uns den Feldstecher, blicken auf ihr perfekt getarntes und doch so wunderschön braungeschupptes Gefieder. Wir schleichen an ihr vorrüber, wohl wissend, dass sie nach dem langen Winter – es liegen noch letzte Schneeflecken auf den braunen Matten – Energie sparen soll für die Balz, die demnächst beginnt.

Und wo ist der Birkhahn? der übt schon mal auf der Lawinenverbauung und gluckert ins Tal wie ein Chorknabe von der Kanzel 🙂 . Seine “Rosen” sind sogar im Flug sichtbar, so dick und knallrot sind seine Überaugenwülste nun, während der Paarungszeit. Wir bestaunen sein Prachtkleid, die leierförmigen Schwanzfedern, die weisse Flügelbinde und seinen kräftigen Schnabel. Was für ein hübscher Kerle!

Die Stauberen-Bahn bringt uns – nach einer warmen Tasse Ovomaltine – zurück ins Tal, nach einem Nachmittag voll unerwarteter, bereichernder Begegnungen.

Organismus: , , , , , ,
Ökosystem(e):
Themen: ,