Schneckenwetter

eines meiner Haustiere © P. SchuetzFür Feldbiologen ist die aktuelle Wetterlage sehr mühsam. Hohe Pegelstände, tiefe Temperaturen und wiederkehrender Niederschlag vermiesen ihnen die Saison. Schneckenbeobachter haben dagegen Hochsaison…  Seit mindestens 14 Tagen sollte ich Reptilien kartieren, meine Arbeitskollegen elektrische Abfischungen durchführen bzw. Wildbienen und Libellen kartieren. Buchstäblich ins Wasser sind diese Tätigkeiten allesamt gefallen. Denn der viele Regen hat nicht nur für grosse Wassermengen gesorgt, sondern auch für beträchtliche Abkühlung. Und bei starker Bewölkung bzw. Niederschlag verziehen sich selbst Pelz tragende Hummeln und Grosslibellen. Schneckenforscher müsste man dagegen sein! Alleine auf meinem Balkon habe ich im Minimum ein Duzend Nacktschnecken und Häuschen tragender Varietäten, die hervorragend mit den aktuellen Witterungs-bedingungen zurecht kommen.

Mein Balkontrog beherbergt aktuell relativ wenige Pflanzen, da ich – auch wegen des schlechten Wetters – noch keine grossen Gelüste verspürte, neues Grün zu pflanzen. Die kleine Auswahl scheint attraktiv genug zu sein. Während die Nacktschnecken nach dem Erklimmen der senkrechten, immerhin über einen Meter hohen Trogwand wagemutig auf Goldmelissen- und Pfefferminz-Stengel geklettert sind, um an den jüngsten Blättchen zu raspeln, hat ein Paar Hain-Bänderschnecke mit Appetit ein hartes Christrosenblatt in Angriff genommen.

Zum Ärgernis der Hobbygärtner und Pflanzenliebhaberin haben etliche Schneckenarten, wie wir Menschen, beim Fressen gerne Gesellschaft, auch wenn es in der Umgebung genügend alternative Futterpflanzen gäbe. So finden sich auf dem selben Salat oder im meinem Fall auf der selben Kräuterstaude, gleich mehrere Exemplare. Und “meine” Schnecken sind gründlich: Sie fressen ausgiebig und kehren  mit Vorliebe zurück, auch wenn ich sie etliche Meter weit in die Böschung werfe, weil ich sie nicht zu töten vermag. Netterweise hinterlassen sie beim Abzug schliesslich auch noch ihre Losungen, aber nicht etwa auf der Trogerde, sondern mit Vorliebe auf den Bodenfliesen und Wänden.

Als Kind wurde mir beigebracht, es gäbe “gute Häuschenschnecken” und “böse Nacktschnecken”. Erstaunlich hartnäckig, fast so wie der widerliche Schneckenschleim, den ich am leichtesten mit Waschmittel in Pulverform wieder los werde, hält sich das Gerücht, Weinbergschnecken würden Nacktschnecken fressen. Diesem ist auch meine Mutter aufgesessen. Tatsächlich ist wohl eher das Gegenteil der Fall, wie Schneckenforscher herausgefunden haben.

Denn Weinbergeschnecken sind echte Vegetarier und fressen ausserdem nur Kalk (z.B. in Form von Eierschalen), um ihr Häuschen zu rgenerieren und zu vergrössern. Die spanischen Wegschnecke dagegen ist ein eigentlicher Aasfresser, der sich über tote Regenwürmer hermacht aber auch schwächliche andere Schneckenarten angreift. So wurde schon beobachtet, dass die ominipräsente, orange farbene Exotin (ja, auch sie ist ein Neozoon) gar eine Weinbergschnecke überfiel und diese auffress, um das leere Häuschen für ihre Eiablage zu verwenden.

Für nächste Woche sollte es endlich eine Wetterverbesserung geben. Ganz grundsätzlich wäre mir das sehr recht, auch der – wenngleich so interessanten – Schneckenschar wegen. Die natürlichen Feinde der Schnecke wie Igel und Enten kommen nicht auf meinen Balkon. Und Schneckenkörner sind nichts für mich.

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