Spitzengefühl

Tafelente_R. Lorch_2009Höchstes Fingerspitzengefühl, absolutes Gehör, le nez du parfeumer –  was unseren eigenen Körper anbelangt, sind wir uns seiner Sinnesleistungen bewusst. Was aber leistet eigentlich ein Entenschnabel? Wirklich ein fin bec?Alle Vogelschnäbel bestehen zunächst aus dem knöchernen Ober- und Unterkiefer. Tütenartig steckt der Horn überzogene, zweiteilige Schnabel darauf. Zwei Nasenlöcher – zumeist an der Basis – sind in den Oberschnabel eingelassen. Obwohl es auch Schnäbel bei einzelnen (ausgestorbenen, zu den Dinosauriern zählende) Reptilien und Beuteltieren (Schnabeligel & Schnabeltier) gibt, hat diese Hautstruktur bei den Vögeln die höchste Differnzierung erreicht. Die Darstellung mit den vielfältig geformten Schnabeltypen der Galapagos-Finken kommen mir unweigerlich in den Sinn, während ich tippe…

Vogelschnäbel sind – wörtlich – wahre Wunder(horn)tüten! Sie sind nicht nur imposanten Brech-, Schlag-, Meissel-, Schöpf-, Hack-, Pflück- oder Pick-Werkzeuge (je nach Ernährungsweise und Nistform), mit ihrem Schnabel können einzelnen Vogelarten sogar selber Hilfsmittel basteln, um neue Nahrungsquellen zu erschliessen. Und dies Gelegenheits-bezogen, also dann, wenn eine Belohnung diesen Aufwand rechtfertigt, ohne dass sie das in der freien Wildbahn typischerweise tun würden! Mehr dazu hier.

Fingerspitzengefühl ist gefragt, wenn ich mit Nadel und Faden kämpfe, vorsichtig einen Kuchen aus seiner Form löse, etwas Lidschatten auftrage. Aber auch Vögel haben ein Spitzengefühl in ihrem Schnabel! Wenn am Vogelhäuschen Körner gepickt und geöffnet werden, spielt der Schnabel eine entscheidende Rolle. Die feine Wachsschicht, mit der Vogelschnäbel überzogen sind, ist nämlich tastempfindlich! So prüfen Finken jedes Körnchen, klemmen es bei Gutbefinden ein zwischen ebenfalls hörnernem Gaumen und Unterschnabel und zerschneiden es mit präzisem Kraftaufwand, ehe es auf den Weg durch den Verdauungstrakt geschickt wird.

Bei Enten sind die Schnabl zusätzlich mit weichhäutigen Lamellen, die ebenfalls tastempfindlich sind und sich am inneren Schnabelrand befinden, ausgestattet. Beides, Wachsschicht und Lamellen, ermöglichen es Fressbares im Wasser zu finden.

Horn, das Material aus dem Vogelschnäbel, aber auch Vogelfedern, Krallen, Nägel, Hufe, Igelstacheln oder die Barten der Wale bestehen, besteht zumeist aus abgestorbenen, mit Keratin angefüllten Hautzellen. Ich finde es faszinierend, dass all diese Strukturen, die aus Hautzellen entstanden sind und biologisch gesehen tot sind,  gleichwohl an lebendige Zellschichten grenzen, die mit Blut und Nerven versorgt sind. Und damit ermöglich wird, dass Vogelschnäbel wie auch Hufe wichtige Tast-Informationen erfassen und weitergeben können.

PS: Schmecken spielt bei Vögeln übrigens im Vergleich zu uns eine untergeordnetere Rolle. In der Mundhöhlen-Schlundregion liegen zwar Geschmacksknospen, mit denen die Nahrung auch geschmacklich geprüft wird, vor allem bei Körnerfressern. Viele Frucht- und Insekten-fressende Arten verschlucken dagegen ihre Nahrung unbearbeitet…

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